Autor von «MEHR als nur Bäume – Wald und Wälder im Kanton Schwyz»

Lieber Hans-Ueli, Du hast soeben ein wegweisendes Buch über die Schwyzer Wälder herausgegeben. Wie kamst Du zu diesem Auftrag?
Ich durfte als Waldökologe mit eigenem Ökobüro für den Kanton botanische Gutachten erarbeiten. Eine grosse Arbeit war das wissenschaftliche Erforschen aller im Kanton vorkommenden Waldtypen. Der damalige Einsiedler Kreisförster Stefan Lienert fand dann, es wäre schön, wenn diese Erkenntnisse einem breiten Publikum vorliegen könnten. Sein früher Tod liess dieses Projekt stranden. Umso schöner, dass seine Nachfolger im kantonalen Forstamt diese Idee wieder aufgriffen und intensiv förderten.
Weshalb hast Du ausgerechnet an Schwyzer Wäldern so viel Freude?
Der waldreiche Kanton weist eine ungemeine Waldvielfalt auf: von den warmen Eichenwäldern am Vierwaldstättersee über die nassen Moorwälder im mittleren Kantonsteil bis zu den ausgedehnten Nadelwäldern im Wägi- und Muotatal. Zudem ist ein rechter Teil der Wälder in einem naturnahen, ökologisch wertvollen Zustand.
Du bist zahlreichen Sonder- und Naturwaldreservaten begegnet. Wie haben sie sich entwickelt?
Schön ist zuerst, dass der Kanton Schwyz die Bundesvorgaben zur Fläche solcher Reservate um einiges übertrifft. In allen Flächen wurden die Ziele, die zum Schutz führten, erreicht: dem Auerwild geht es in den Sonderwaldreservaten besser; geschützte Moorwälder blieben bestehen, in Naturwaldreservaten hat die Natur freie Hand.
Welcher Wald ist Dir der wertvollste?
Ein Gebirsgwald nahe der Waldgrenze, wo die Bäume um ihr Überleben kämpfen müssen, wie zum Beipiel der Bergföhrenwald mit den wiederentdeckten Arven im hintersten Wägital.
Du bist seit vielen Jahren in den Schwyzer Wäldern unterwegs. Erkennst Du Veränderungen?
Das Bewusstsein für den Wald ist gewachsen: in der Bevölkerung, bei Waldeigentümern, bei Holznutzern, in den Medien. In der Bewirtschaftung scheint vielerorts das Verständnis für ökologische Prozesse zu steigen. Allerdings vergrössert sich auch der Druck auf den Wald, vor allem in der jetzigen Debatte um erneuerbare Energien.
Erkennst Du den Klimawandel im Wald?
Sicher ja. Wärmeliebende, fremde Pflanzen wandern ein und einige Baumarten kommen auf ihrem Standort in Stress, meist wegen der Trockenheit, die bis zum Absterben führen kann. Wie es mit neuen Baum-arten geht, darf man gespannt abwarten. Bei vielen der momentan gehandelten «Wunderbäume» mache ich ein Fragezeichen.
Was hat Dich auf Deinen Gängen durch den Schwyzer Wald besonders begeistert?
Die Überraschungen. Zum Teil war ich ja tagelang unterwegs, ohne einem Menschen begegnet zu sein. Wenn dann vor dir eine Auerhenne auffliegt oder du eine seltene Orchideenart entdeckst oder ein romantisch krumm gewachsener Baum vor dir aufragt, berührt das schon.
Hat Dich auch etwas geärgert?
In einigen Gegenden merkt man den Druck der Zivilisation auf den Wald sehr stark, etwa wenn Montainbiker quer-Wald-ein rasen. Weh tut es mir, wenn uralte absterbende Bäume gefällt werden. Leider können sich dann Spechte, die in diesen Bäumen nisten, nicht mehr vermehren! Auch Pilze und Insekten brauchen diese Altbäume. Besonders problematisch scheinen mir die Verhältnisse in der Bödmeren: der in der Zwischenzeit meistbegangene und beeinträchtigte Urwald.
Bereitet Dir der Wald 2100 Sorgen?
Mir persönlich nicht so, ich lebe ja nicht von der Waldnutzung. Es wird in einigen Höhenlagen eine neue Durchmischung der Baumarten geben; vor allem die Fichte dürfte es an tieferen Lagen schwer haben. Aber die Natur hat seit der letzten Eiszeit immer wieder Wege gefunden, sich an Veränderungen anzupassen. Momentan bereitet mir vor allem das Tempo der Klimaerwärmung grosse Sorgen.
Hast Du einen Wunsch an die Schwyzer Förster und Waldbesitzer?
Ich empfehle nicht zu radikale, grosse Eingriffe und so wenig schwere Maschinen wie möglich. Der Waldboden ist ein höchst empfindlicher Lebensraum. Störungen wirken sich lange aus, oft auch auf die Baumgesundheit. Vieles können wir im Übrigen momentan noch gar nicht wissen, denn die Folgen sehen wir erst in Jahrzehnten.
Was sind Deine nächsten Projekte?
Ich habe meinen Lehrauftrag an der ETH beendet und dieses Waldbuch ist so etwas wie mein ökologischer Schwanengesang. Zukünftig werde ich mich mehr in unserer historischen Druckerei und im Buchbinde-atelier betätigen. Weniger Terminarbeit, mehr leben.
Kannst Du uns noch etwas zu Deiner Person verraten?
Ich habe mich ein Leben lang ausserhalb des Mainstreams bewegt: als Forscher, als Naturliebhaber, als Dozent, als Bewohner eines holzgeheizten Walserhauses. Privat bin ich seit einem Jahr mit meinem Mann verheiratet, mit dem zusammen ich seit 25 Jahren die Druckerei Offizin Parnassia betreibe. Jetzt lebe ich gerne in unserer italienischen Filiale, mitten in einem trockenen Eichen-Mischwald.
Lieber Hans-Ueli, herzlichen Dank für Dein Buch und die interessanten Anworten.
Mehr Informationen zum Buch finden Sie hier.




